Am Freitag vor meinem Geburtstag erhielt ich einen Anruf. Zuerst dachte ich, dass mir jemand ein Fernsehabo verkaufen möchte oder eine Zeitschrift. Ich konnte mit den Namen „Filmpool.de“ nichts anfangen. Aber als Anu, die nette Dame am anderen Ende der Leitung, mich zu meiner Tochter und meinem Blog befragte, wurde ich stutzig. „Kennst du den Nachmittags-Talk mit Marco Schreyl?“ fragt sie mich. Ich antwortete sehr ehrlich: „Nein, das sagt mir leider nichts.“
Meine Tochter lief wie ein Musterschüler durch die Therapie. Sehr ungewöhnlich und auf keinen Fall eine normale Anorexie-Patientin, sagte man uns bei jedem Gespräch. Chiara bestand auf alle Ankündigungen und wehe sie trafen nicht ein. Sie war regelrecht sauer auf das Klinik-Team, als sie zu Beginn einfach nur steil zunahm und die Gewichtsschwankungen ausblieben. Erst als diese tatsächlich eintrafen (und ich fast in ein tiefes psychisches Loch fiel), beruhigte sie mich und meinte „Mama, das ist alles ganz normal. Die haben gesagt, das wird kommen. Das passt“.
Nach dem Vorstellungsgespräch, Ende August, fuhren wir schweigend nach Hause. Keiner hatte damit gerechnet, dass die Aufnahme schon auf den nächsten Tag fallen würde. Wir dachten beide oder besser hofften beide, wir hätten noch mindestens das Wochenende. In meinem Kopf machten die Gedanken Purzelbäume – Was muss ich packen? Was muss noch besorgt werden? Oh Gott, Sie wird mindestens 16 Wochen nicht Zuhause sein! Wird sie Weihnachten überhaupt zuhause sein? Merke: Ich muss im Kalender nachrechnen, wie viel Luft da noch ist. Braucht sie neue Unterwäsche?
Meine Tochter begann an diesem Tag ihre erste Diät. Mit 59 KG und 1,62 m Körpergröße. Sie war nicht dick, sie war völlig normal. Zumindest in meinen Augen. Ich begrüßte aber die Aktivitäten, die sie auf einmal startete. Fahrrad fahren, Spazierengehen mit den Hunden, Treffen mit Freunden. Sie zog sich hübsch an, ging öfters duschen, ging gerne mit mir in die Stadt zum Bummeln, schnitt ihre langen Haare in einen frechen Bob. Es war herrlich zu sehen wie viel Lebensfreude auf einmal in ihr war. Es schien perfekt. Bis zu diesem einen Tag im Mai.
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